Sonntag, 6. Oktober 2013

Herbsttage - Herbstwege

O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz –
O sorge, dass uns keine fehlt,
Und gönn' uns jede Stunde ganz.


Theodor Fontane














Und schon beginnt der Herbst, Farbe zu bekennen, wenn auch das Grau derzeit zu überwiegen scheint. Noch ist es die Zeit der reifenden Früchte und leuchtenden Asterngärten. Zeit, von Hagebutte, Schlehe und Birne gesäumte Herbstwege zu gehen, geizig die Stunden zählend. 

Bleibt die Frage, inwieweit sich durch Geiz die Zeit am Zerrinnen hindern lässt. Vielleicht sollte man den Spieß herumdrehen und sie stattdessen verschwenden? Es käme nur darauf an, wofür. Zumal ich zu wissen meine, dass es sich beim Problem der stets fehlenden Zeit mehr um das des Sich-Verzettelns handelt. Des zeitgleichen Beginnens zu vieler Dinge, der damit einhergehenden geteilten Aufmerksamkeit und der Unmöglichkeit, sich einer Sache ganz zu widmen. Das unausgesetzte schlechte Gewissen, während ich das eine tue, das andere zu vernachlässigen, welches oft dazu führt, dass ich mich am Ende keiner Sache ungeteilt widme.

Seit ich in meiner hellen Dachwohnung lebe, in die auch bei grauem Wetter noch ausreichend Tageslicht fällt, habe ich begonnen, das prasselnde Geräusch des Regens auf den schrägen Fenstern zu lieben, zumal mir der betagte Kater des Hauses häufig schnurrende Gesellschaft leistet. Wie konnte ich so lange ohne Katzen leben? Ich weiß es nicht. Die hohe Tanne vor dem Fenster findet sich hingegen besetzt von einem Schwarm fröhlich lärmender Stare, die sich mit dem Imitieren von Stimmen unterschiedlichster Vogelarten unterhalten. An mein Ohr dringen Rufe von Lerchen, Blässhühnern, Bussarden, Pirolen, - selbst ein Kuckuck ist zu vernehmen. Fast könnte es ihnen gelingen, mich zu närren, wenn ihr Schwatzen sie nicht verriete. Dann wie auf ein Signal plötzliches Verstummen, ein Rauschen von vielen Flügelpaaren, und schon ziehen sie weiter, wohin es ihnen gefällt.

Solches will mir nun nicht vergönnt sein; ich werde also einiges zu ordnen haben, um mich im Herbst erträglich einzurichten. Meine Kerzen zusammensuchen, die Teevorräte prüfen, Bücher umstapeln. Aufgeschobenes erledigen, um mich Neuem zuwenden zu können. Über dem Sommer Versäumtes nachholen. Einige überfällige Buchbesprechungen schreiben. Wie immer unter langem Zögern und Zaudern. Zu groß ist mein Respekt vor dem geschriebenen Wort und ebenso vor allen, die sich der Mühe des Schreibens unterwerfen. Jedoch mag ich nicht davon lassen, im Gedenken an vorangegangene Autoren - Virginia Woolf, Hermann Hesse... - die am Schreiben von Rezensionen die Möglichkeit des Blicks über den Tellerrand und die beständige Erweiterung des eigenen Horizontes schätzten, sowie das Trainieren der Fertigkeit, aus einer vielfältigen Fülle das Wesentliche zu erfassen.

Ich freue mich über das Erscheinen der Besprechung zu meiner Sommerlektüre "EinTeelöffel Land und Meer" von Dina Nayeri im Magazin für Literatur und Zeitkritik Glanz und Elend, welche auch in unserem LiteraturFreundIn-Blog unter dem Titel Die Kraft des Erzählens zu finden ist.

Weitere Projekte laufen, warten jedoch noch auf den passenden Zeitpunkt zur Ausführung. Einstweilen ziehe ich an Herbstlichem Bewährtes aus der Schublade, so meinen einstigen Blogbeitrag Herbstgedanken in LiteraturFreundIn und unsere literarische Spurensuche nach dem Rodensteiner, jenem sagenumwobenen, spukenden Ritter des Odenwaldes, mit dem sich u.a. einst Viktor von Scheffel und Werner Bergengruen befassten.

"Und gönn uns jede Stunde ganz."

Ein Wunsch, den ich weitergeben möchte: Neben der Arbeit, die uns fordert, stets Zeit und Muse finden für Wanderungen in die Natur und - natürlich! - für Bücher, Bilder und Musik!

Herzliche Grüße

Eure Bettine