Donnerstag, 29. Mai 2014

Himmelfahrt - oder: Auf die Suche gehen


Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht
und sagt: Ich bin.
          Ein Gott, der seine Stärke eingesteht,
hat keinen Sinn.
         Da musst du wissen, dass dich Gott durchweht
seit Anbeginn,
         und wenn dein Herz dir glüht und nichts verrät,
dann schafft er drin.


Rainer Maria Rilke



Himmelfahrt. Ein markanter Punkt, die Osterzeit beschließend, am Ende eines wieder einmal zu schnell verstrichenen Frühlings stehend, dessen Wonnemonat mir immer eine Spur zu üppig scheinen will, mich überrumpelt und über mich hinwegfegt. Wenige hastig festgehaltene Augenblicke: Fliedertage, erster Mohn, Beginn der Rosenzeit. 






Freude am immer virtuoseren Gesang der Amsel vor dem Fenster, dem selten gewordenen entfernten Kuckucksruf, der melancholisch-sehnsuchtsvollen Stimme einer Nachtigall zur Mitternachtsstunde.










Trauer angesichts vielfach vorherrschender Gleichgültigkeit gegenüber Kostbarkeiten dieser Art. Zugleich das Wissen darum, dass Wahrnehmung subjektiv ist und - glücklicherweise! - niemandem aufgezwungen werden kann.

Andererseits: Sorge um die Kinder, die von gleichgültigen Erwachsenen nichts lernen können. Wen sollen sie einst zur Rechenschaft ziehen, wenn sie - zu spät - merken, was ihnen von Beginn an genommen wurde? Wo sollen sie anfangen, danach zu suchen?










Unsere eigene Sehnsucht dieser Tage. Wonach? Nach einem Himmel womöglich? Wie sollen wir uns diesen vorstellen? Haben wir ihn doch längst heruntergeholt auf den vielgepriesenen vermeintlichen Boden der Tatsachen, - der sich nur dummerweise von Zeit zu Zeit in einen Abgrund zu verwandeln droht.
Unseren religiösen Festen sind die Inhalte längst verloren gegangen, sie sind heruntergekommen zu Konsumschlachten und Kollektivbesäufnissen. Die Kirchen vermögen nichts entgegenzusetzen, denn auch hier scheint Gott, sofern er oder sie hier je wohnte, längst ausgezogen. Aufgefahren in den Himmel. Dies spürt auch der letzte Gläubige - und geht wieder.


Wenige begreifen, dass es so sein musste. Dass Gott an einen Ort umziehen musste, an dem ihn jeder Suchende finden kann, fernab aller religiösen Schranken.







Hin und wieder jedoch macht sich manch einer  - oder eine - auf den Weg, Gott zu suchen, - und findet ihn möglicherweise woanders als erwartet. Und schreibt - vielleicht - ein Gedicht darüber. Als eine von vielen möglichen Antworten.

In diesem Sinne:

Schöne Pfingsttage
und
Herzliche Grüße!

Eure Betty