Sonntag, 27. März 2016

Die Kraft der Worte - oder: Statt einer Osterbotschaft...

Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht
und sagt: Ich bin.
Ein Gott, der seine Stärke eingesteht,
hat keinen Sinn.
Da musst du wissen, dass dich Gott durchweht
seit Anbeginn,
und wenn dein Herz dir glüht und nichts verrät,
dann schafft er drin.

Rainer Maria Rilke





Und wieder steht Ostern an, jenes symbolträchtige Fest, das uns drängt, ihm eine Botschaft zu entreißen und diese in die Welt hinauszurufen. Ich tue mich zunehmend schwer mit Botschaften. Ich gestehe, ich habe keine.




Ich schaue nunmehr auf ein halbes Jahrhundert an Lebensjahren zurück und auf ebenso viele Osterfeste. Manche habe ich sehr bewusst und intensiv erlebt, andere zogen fast unbemerkt an mir vorüber. Manche standen für Aufbruch und Neubeginn, manche ließen mich enttäuscht und leer zurück. Die christliche Botschaft bedeutete mir zu manchen Zeiten sehr viel, zu anderen erreichte sie mich gar nicht. Und die Frage, woran ich glaube, löst in mir mit den Jahren nicht weniger, sondern mehr Befangenheit aus.

Denn alles, was in den Bereich des Glaubens fällt, liegt ja naturgemäß außerhalb unseres Wissens, und kann daher keinem Richtig oder Falsch unterliegen. Und schon gar keinen Zwängen und Dogmen. Und ebensowenig ist es möglich, je wirkliche "Glaubensgewissheit" zu erlangen. Denn es ist diese ein Widerspruch in sich. Die Erkenntnis um die Endlichkeit unseres irdischen Lebens lässt uns wider besseres Wissen immer wieder nach ihr suchen, und je mehr wir nach ihr greifen, desto mehr entzieht sie sich. Und ich fürchte, es muss dies genau so sein.

Echter und unaufgesetzter Glaube muss sich immer wieder neu in Frage stellen lassen, verlangt nach steter Neuausrichtung an unserer Lebenssituation, neu gewonnenen Eindrücken und Erkenntnissen. Und er lebt vom Respekt vor dem Glauben des Anderen - und dem einzigartigen, individuellen Weg, den Gott, so wir an ihn glauben, mit jedem einzelnen Menschen geht.









Ich habe keine Botschaft. Noch fühle ich mich zu weisen Worten berufen, nur weil ich bereits fünfzig Jahre auf diesem ebenso wunderbaren wie verwundbaren Planeten herumwandere. Ich bin noch immer ein Kind, das über Blumenwiesen und durch Frühlingswälder läuft. Und ziehe zuweilen Trost aus den Worten: 




"Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, daß ihr umkehret und werdet wie die Kinder..."
(Evangelium des Matthäus, Kapitel 18, Vers 3)







Was ich von der christlichen Osterbotschaft dennoch über die Jahre behalten habe und schätze?

Die konsequente Botschaft der Versöhnung und des Friedens, die ich dazu angelegt sehe, jahrhundertelanges Missverstandenwerden zu überdauern.

Die Stärke, die sich im vermeintlich Schwachen, im Verletzlichen und Zerbrechlichen zeigt.

Und nicht zuletzt - die Kraft der Worte:


"Christus ist auferstanden! -
Er ist wahrhaftig auferstanden!"


In diesem Sinne wünsche ich Euch Lieben
frohe und gesegntete Oster- und Frühlingstage!

Herzliche Grüße

Betty