Auf dem Lautenfelsen bei Gernsbach/Schwarzwald |
Niederab das Tal entlang,
Da erklingt es wie von Flügeln,
Da bewegt sichs wie Gesang;
Und dem unbedingten Triebe
Folget Freude, folget Rat;
Und dein Streben, seis in Liebe,
Und dein Leben sei die Tat...
Johann Wolfgang von Goethe
(Aus: Wanderlied)
Wo wir uns räumlich aufhalten und für wie lange, spielt eine untergeordnete Rolle. Unterwegs sein mit dem Weg als Ziel. Sehnsucht nach dem Horizont mischt sich mit Sehnsucht nach Bleiben und Verweilen, Langsamkeit, bewusster Entschleunigung. Gegensätze, die es auszuhalten gilt.
Auf dem Kirchhof in Lauffen am Neckar |
Spätsommerliche Felslandschaft im Schwarzwald |
So finde ich mich an manchem freien Spätsommertag auf Wegen durch Wiesen und Hochmoore und auf Felsenpfaden, finde ein Farbenspiel aus leuchtend grünen Flechten auf dem Granitgestein, überhangen mit lila blühender Heide und hellrot-orange glühenden Ebereschen. Silberne Spinnweben künden vom nahen Altweibersommer, der recht zu mir passen will. Mag er sich einstellen!
Auf dem Brennte Schrofen über dem Achertal/Schwarzwald |
Edelfrauengrab-Wasserfälle im Gottschlägtal/Schwarzwald |
Am oberen Gottschläg |
Kratzdistel (Cirsium) mit Hummel |
Platterbse (Lathyrus) mit Faulbaum-Bläuling (Celastrina argiolus) |
Elizabeth von Arnim (Aus: Elizabeth auf Rügen)
Und so nehme ich denn wieder Zuflucht zu den Dichterinnen und Dichtern, als müsste ich mich ihres Rückhalts vergewissern.
Meine eigene Rügen-Reise führte mich Ende Mai zunächst in die Weiten Brandenburgs, zu Theodor Fontanes "Herrn von Ribbeck im Havelland". Auch wenn das "Doppeldachhaus" längst nicht mehr steht, so ist dort doch der Zauber eines besonderen Ortes zu spüren.
Schloss Ribbeck im Havelland |
Kirche Ribbeck |
Alte Rosskastanie auf dem Kirchhof Ribbeck |
Familiengrablege der von Ribbeck mit jungem Birnbaum |
Erst hier fällt auf, was uns fehlt.
Wie viele Vögel wir lange nicht mehr gehört und gesehen haben.
Was der Schatten eines Baumes bedeutet im Vergleich zu unseren armseligen textilen Sonnendächern.
Welchen Charakter Bäume dem Bild einer Landschaft oder einer Ortschaft zu verleihen vermögen.
Sie ermöglichen Leben in reicher Vielfalt. Sie bieten Schutz und spenden Kraft. Sie rauschen.
Sie flüstern. Sie erzählen Geschichten. Sie verbinden Erde und Himmel.
Eigentlich lässt sich wohl sagen: Ich komme immer wieder vor allem der Bäume wegen.
Lindenallee bei Lohme/Insel Rügen |
Die Insel Rügen, diesmal im Spätfrühlings-Frühsommer-Kleid. Farbenfrohes Leuchten: Klatschmohn, Kornblumen, Weißdorn, Ginster im frischen Grün. Unvergessliche Wanderungen auf dem Hochuferweg zur Stubbenkammer, von der es zu Recht heißt:
Stubbenkammer/Rügen: Blick vom Königsstuhl zur Viktoria-Sicht |
Wilhelm von Humboldt
(Tagebucheintrag vom 12. August 1796)
Stubbenkammer/Rügen: Viktoria-Sicht |
Am verwunschenen Herthasee, Jasmund/Rügen |
Wer sich ins Hinterland aufmacht, findet indessen stille verwunschene Seen und Moore - und wird möglicherweise von einem Unkenkonzert begleitet.
Insel Hiddensee: Leuchtfeuer Gellen |
Insel Hiddensee: Am Dornbusch |
Gerhart Hauptmann
Insel Hiddensee: Leuchtturm Dornbusch |
Dorfkirche Bobbin/Insel Rügen |
Am Strand von Vitt, Arkona/Rügen |
Und das Rauschen der Brandung - und das Klickern der zurückrollenden Kieselsteine. Ein Klang wie von Murmeln...
Junger Haussperling auf dem Rügenhof Putgarten |
Kornblume (Cyanus segetum) |
Orangerotes Habichtskraut (Hieracium aurantiacum) |
Im Garten des Bach-Hauses/Eisenach |
Garten des Bach-Hauses Eisenach |
Schachbrett (Melanargia galathea) und Kleines Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus) |
Weidenröschen (Epilobium) |
Wer reist, sei es räumlich oder zeitlich, auf Wegen und Straßen, auf Buchseiten - lesend, schreibend oder in Gedanken - übt sich darin, genau hinzusehen und schult den Blick für das Schöne.
Wer reist, auf welche Weise auch immer, wird immun gegen Lügen, lässt sich nicht mehr erzählen, die Erde sei eine Scheibe, eine Kultur sei der anderen überlegen oder dass es gar auf komplexe Fragen einfache Antworten und Lösungen geben müsse.
Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) |
Wer reist, lernt, das Gemeinsame und Verbindende mehr zu suchen als das Trennende.
Diese Erfahrung wünsche ich uns allen!
Euch Lieben allen noch schöne Ferien und - wo diese schon zu Ende sind - einen guten Start in den Herbst!
Mit ganz lieben Grüßen
Betty
PS: Ein neuer Sammelrezensions-Essay von mir zu neuen und neu zu entdeckenden Büchern zu Anne Frank erschien am 17. August in literaturkritik.de unter dem Titel Wem gehört Anne Frank? - Oder: Was kann und darf Erinnerung?